Kulturstiftung Hohenlohe

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Aktuelles

von der Kulturstiftung

Das bunteste Publikum - von Leonore Welzin, 3.7.2017, Heilbronner Stimme

Ich wusste gar nicht, wie viele Wetter-Apps es gibt, mein Speicher ist
voll", gesteht Marcus Meyer dem Open-Air-Publikum. Der künstlerische
Leiter des Hohenloher Kultussommers nimmt den Regen mit Humor:
"Eigentlich wollte ich Sie im Namen des Kultursommers begrüßen, jetzt
begrüße ich Sie im Namen der Kulturstiftung. In den 20 Musikfest-Jahren
auf Schloss Weikersheim ist dies das schlechteste Wetter, das wir je
hatten: Und Sie sind dabei!"

Kurz kursieren Gerüchte, das Festkonzert der Russischen
Kammerphilharmonie St. Petersburg im Schlosspark könnte ausfallen. Doch
die Musiker stürmen in großer Besetzung auf die überdachte, aber nach
allen Seiten offene Bühne, packen erst hier die Instrumente aus, während
der Veranstalter den 1400 Besuchern noch ein Kompliment macht: "Sie
sind das bunteste Publikum, das wir je hatten!".

Überschwang Zu den vielen Tropfen auf Schirmen und Capes gesellt sich
der Klang großer Komponisten. Zum Auftakt Glasunow, ein Zwischenspiel
aus dem Ballett "Raimonda", quasi als Reminiszenz an die russische
Heimat der Musiker, die seit dem Jahr 2000 in Frankfurt leben. Dann
beginnt die "Nuit française", die französische Nacht mit Glanzlichtern
von Joseph Canteloube (aus dem Liederzyklus "Chants d"Auvergne"), George
Bizet (Farandole aus "L"Arlesienne"), Jules Massenet ("Thais"),
Ambroise Thomas ("Mignon") und Gabriel Fauré (Pavane und Ouvertüre zu
"Masques et Bergamasques").

Energiegeladen und überschwänglich das Dirigat von Juri Gilbo,
grandios die Solisten, der Geiger Vadim Tsibulevsky mit viel
Streicherschmelz für die "Thais"-Meditation und, im Trenchcoat, die
kristallklaren Koloraturen der Sopranistin Nora Friedrichs − sie erntet
für ihre kraftvolle Titania-Arie aus "Mignon" Bravos. Wind und Regen
zwingen bei Halbzeit gegen 22 Uhr zum Abbruch, so fallen Puccini,
Saint-Saens, Ravel, Gounod und Tschaikowski buchstäblich ins Wasser.

Offenbachs Puppenlied aus "Hoffmanns Erzählungen" lässt noch einmal
den Sopran brillieren. Als berauschendes Finale immer gut, sein Cancan
aus "Orpheus in der Unterwelt". Noch während in der feuchten Luft die
Klänge in vielen Echos verhallen, begeben sich die Feuerwerker in
Standby-Positionen, um ein zwölfminütiges Spektakel aus Funken-Fontänen,
Feuerbällen und -blüten zu entfachen.

Eingestimmt durch Valse-Musette der Akkordeonistin Cordula Sauter,
die französisches Flair ins geschichtsträchtige Gemäuer zaubert, hat der
Abend mit Vorkonzerten begonnen, die zeitgleich an sechs Orten
stattfinden. Das Ensemble Obligat aus Hamburg feiert "Telemann in Paris"
(Stadtkirche). "Impressionen in a-Moll" mit Werken von Chaminade und
Lalo hat das Trio Parnassus im Gepäck (Gärtnerhaus). Auf Spurenlese der
Chanson-Literatur, nicht zuletzt von Edith Piaf, begibt sich das Duo
Asita Djavadi und Jan Röck (Schlosskapelle).

Funkeln Die Eskapaden der Madame Pompadour sind Thema des
Gamben-Consorts (Orangerie). Einen Exkurs an die Höfe der Marie
Antoinette macht das Concilium musicum aus Wien. Selbst in der
Gefängniszelle, wo das wechselvolle Leben der Monarchin mit der
Revolution ein tragisches Ende nimmt, wollte sie das Musizieren nicht
lassen und ließ sich ein Cembalo bringen. Seltene Komponisten (Grétry,
Hasse) auf historischen Instrumenten interpretiert, beeindrucken die
Österreicher mit authentischem Klang bis hin zur Flöte (Robert Pinkl)
und dem funkelnden Sopran von Heidi Manser (Rittersaal).

Ein facettenreicher Abend, der nicht zuletzt dank der exquisiten Bewirtung in Erinnerung bleiben wird.