Kulturstiftung Hohenlohe

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von der Kulturstiftung

Wilder Jazz bei UpBeat Hohenlohe - von Jürgen Koch, 16.05.2017, Hohenloher Zeitung

Noch kurz vor Konzertbeginn sind die ersten paar Reihen im Alma-Würth-Saal in Gaisbach leer. Doch der Appell von Marcus Meyer, dem Geschäftsführer der Kulturstiftung Hohenlohe, fruchtet. Die vorderen Plätze füllen sich. Jung sind sie, die neun Jazzer, die nun die Bühne entern: acht Jungs an Drums, Keyboard, E-Gitarre, Trompete, Posaune, Alt-, Bariton- und Tenorsaxofon. Ein Mädchen am E-Bass. Alle aus den Klassen elf bis dreizehn des Ganerben-Gynasiums Künzelsau.

Groovende Bläsersätze treffen auf ein solides Rhythmusfundament. Auch das ein oder andere Solo wird dazwischengestreut. Gleich beim Auftakt mit einem Stück des Saxofonisten Eddie Harris, zeigt die konzentriert agierende Schülerband, was sie im Workshop mit Johannes Ludwig und dem Mengamo Trio gelernt hat: den Wechsel von Struktur und Ansätzen freier Solo-Improvisation. Gar nicht so einfach, wenn man nur das reine Spiel nach Noten gewöhnt ist. Aber gar nicht so übel, wenn man bedenkt, dass Praxis und Erfahrung fehlen. Professionelle Leichtigkeit kann da ernsthaft keiner erwarten. 

Etwas leichter tut sich die Band im "Sea Jam Blues“, wo das zwölftaktige Bluesschema Halt und Sicherheit gibt. Das Publikum nimmt den Groove auf und klatscht mit. Auch die Profis in der ersten Reihe schnippen mit, muntern ihre Schüler mit Gesten und Blicken auf. So richtig in die Vollen geht die Schülerband mit knallharten Rhythmen und wuchtigen Bläsersätzen bei "Angel Eyes“, ihrem letzten Stück. Kräftiger Applaus und Zugabe-Rufe ihr Lohn. Etwas schwierig, wenn man nur vier Stücke eingeübt hat. "Ich bin sicher, Sie wissen nicht mehr, wie das erste Stück klingt“, sagt Johannes Ludwig und zählt es ein. "Vier Stücke in neun Stunden“ sind für ihn eine respektable Leistung. Der Auftritt der Schülerband auch: "Super gelaufen“, sein Kommentar, "so haben wir ja alle mal angefangen.“

Verschiedene Klangwelten
Nein, ein Bossa Nova ist es nicht mehr, das Auftaktstück "Boss Bossa“ von Organist Sebastian Scobel. Dafür ein gutes Exempel für die ungebremste Spielweise, die kommunikative Interaktion, komplexen Strukturen und den Sound des Kölner Mengamo Trios. Der pendelt – auch bei den Folgestücken des Künzelsauer Konzerts – zwischen filigran schwebenden Sphären-Klängen, energetischen Soli, brachialen Rock-Riffs, Ausflügen in avantgardistische Klangmalerien und orchestraler Opulenz. Ein Trio? Mengamos Musik klingt nach mehr. Da reizt Sebastian Scobel das Spektrum seiner um zig Effektgeräte angereicherten Hammond SK2 aus. Perlende Läufe und hingefetzte Akkorde lassen sie schluchzen, jaulen, wimmern, knarren, fauchen und schreien. Mal klingt sie wie eine Kirchenorgel, mal wie ein Synthesizer, mal nach Rock-Gewitter. Aus seinem Hohner-Ort-100-Speaker schallt der typische schwebend-schwirrende Leslie-Sound. Generiert durch rotierende Hoch- und Tieftöner.

Da entlockt Philipp Brämswig seiner Stratocaster mal lyrisch-sphärische Sounds, brilliert mit Oktavspiel, rotzt gleich darauf knallhart-rockige Riffs dazwischen, löst diese immer wieder in Arpeggien und messerscharfe Soli auf, um sie anschließend wieder im Akkordgewitter zu synthetisieren. Da ist Drummer Thomas Sauerborn, der das betont perkussive Spiel von Scobels Hammond und Brämswigs Gitarre mit komplexen Rhythmen ergänzt. Mal mit jazzig subtiler Beckenarbeit, mal mit rockigem Rhythmus-Donner und Turbo-Drive. Statt der üblichen Bass-Drum spielt er – strümpfig wie Scobel – eine brasilianische Alfaia.

Mit zügelloser Spielfreude spielen sich die drei lustvoll die Bälle zu und brechen immer wieder solistisch aus. In "Blues for Ina Ina“ steigt Johannes Ludwig ein, legt expressive Saxofon-Soli über den Zwölftakter des losgroovenden Trios. Etwas durchatmen können Musiker und Publikum nach dem spannungsgeladenen „"Jack the Riffer“ erst bei der lautstark geforderten Zugabe. In Nick Drakes balladeskem "River Man“ öffnen sich weite Klanglandschaften.